Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland (Komplettausgabe) by Hans Paasche

Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland (Komplettausgabe) by Hans Paasche

Autor:Hans Paasche [Paasche, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-80-7484-154-5
Herausgeber: e-artnow Verlag
veröffentlicht: 2013-07-18T22:00:00+00:00


Sechster Brief

Mukama! Freund der Stiere!

Die Berge und Täler Kitaras sind durch schmale Steige verbunden; auf denen Rinder, Schafe und Menschen gehen. Wo der Boden von Quellen erweicht ist, treten die Rinder in ihre alten Spuren und lassen Erdschollen wie Schwellen zwischen ihren Tritten. Über die Papyrussümpfe der Talsohlen legen Deine Wahutu Rohrbündel, und am Strom wartet ein ausgehöhlter Baumstamm, der als Fähre dient. An den Strohhütten unterm Felsen stehen Bananen: das Korn lagert in geflochtenen Körben, die auf Pfählen stehen, und in einer hohlen Kürbisschale reicht ein Mädchen dem Wanderer den Honigtrunk. Die Häuptlinge der Vulkane Karissimbi, Sabinjo, Niragongo grüßen herüber. Die Wolken, die über ihnen lagern, ergießen ihre Tropfen auf die Täler, und das Wasser fließt in lieblichen Bächen zur Ebene des Kagara. Und jetzt wende Deinen Blick von dieser erhabenen Ruhe und Schönheit in das Land der Wasungu. Es ist, als wenn Du auf einen Schwarm von Termiten sähest, die der Steppenbrand in Todesangst versetzte. Die einen tragen hier, die anderen dorthin Steinchen, Eier, Blätter. Du kannst nicht von Wanderern sprechen, auch nicht von Fußwegen und von der Ruhe der Täler. Die Wasungu rasen durch ihr Land hin und her. Sie ebnen die Wege, legen glatte Eisenbalken darauf und lassen Wagen darauf entlang toben, in die sie sich setzen. Du glaubst, sie hätten sehr Wichtiges am andern Ort zu tun. Ich habe das noch nie erfahren. Sie haben wie wir Eltern, Geschwister und Kinder, die krank werden oder sterben, sie haben Sorgen und Änste. Deshalb, sagen sie, rasen sie durch das Land; also in all den Fällen, in denen wir in Kitara gehen oder zu Hause bleiben. Aber noch merkwürdiger ist, was sie mit den Sachen anstellen, die sie überall zusammenkratzen. Auch die packen sie auf Wagen und lassen sie völlig sinnlos so schnell durch das Land fahren, daß man nicht nebenher laufen kann. Sinnlos sage ich; denn ich sah es oft, daß Wagen aneinander vorbeifahren, die mit derselben Ware beladen sind. Überall an diesen Eisenbalkenstraßen stehen Männer, die aufpassen, pfeifen, b asen und winken, klingeln und nach den Zeitzeigern sehen, die aufgestellt sind oder die sie an einer Kette am Leibe tragen. Diese Narrheit nennen sie Verkehr und halten den Unfug für so wichtig, daß sie nachts nicht schlafen, sondern Fackeln anstecken und bunte Lichter schwenken. Die Menschen, die in den Wagen fahren, haben Bücher, in denen geschrieben steht, wie schnell die Wagen hin und her rasen. Sie sehen immerzu in diese Bücher und auf die Zeitzeiger in ihren Kleidertaschen. Die ältesten Leute noch freuen sich kindisch über diese Verrücktheiten.

Ich folgte, um die Freude an dem Unfug kennenzulernen, einem Narren, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, aufzuschreiben, wie viele Menschen, Tiere, Steine, Kürbisse, Bäume auf dem Wagen hin und her gesandt werden. Er trug ein Buch bei sich, in dem er mir zeigte, daß es in jedem Jahr mehr würden. Ich fragte, wann es denn genug sei? Er wußte das nicht. Ich habe, großer König, die Torheit dieser Wasungu jetzt deutlicher erkannt und werde Dir von meiner Weisheit abgeben, so gering sie bleiben mag.



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